Wie Frauen ihre Liebhaber wählen
Blogautor:
Helene Aecherli
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Frauen schauen bei Männern als erstes auf die Hände, den Oberkörper und den Mund. Wie wahr! Und sie analysieren die Gesprächsführung und das Verhalten ihres Gegenübers. Auch wahr! Und sie achten darauf, wie er was isst! Natürlich! Zum Glück gibt es Studien, die das bestätigen.
Normalerweise klicke ich aufgeregte Pressemitteilungen zu Studien von Dating-Portalen ungesehen weg und schicke sie flugs in die ewigen digitalen Jagdgründe. Gestern aber erwischte ich mich dabei, dass ich die neusten Erkenntnisse zu den Kriterien, nach denen Frauen ihre Liebhaber wählen, nicht nur mehrmals überflog, sondern sie sogar innerlich kommentierte. Das mag wohl einerseits an meiner biorhythmischen Baisse gelegen haben, die jeweils nachmittags zwischen drei und halb fünf eintritt, andererseits aber auch daran, dass die Checkliste der Liebhaber-Auswahlverfahren eine ähnliche Anziehungskraft hat, wie jene der Depressions-Symptome: Sie hat zu viel mit einem selber zu tun, als dass man sie einfach ignorieren könnte.
Im folgenden also die Diskussion der einzelnen Studienergebnisse:
„Der Mann ist der Jäger, die Frau die Beute – dieses Klischee hat ausgedient“. So lautet die grundlegende Erkenntnis der Studie. Völlig richtig. Ich behaupte schon längst, dass Frauen jagen. Aber sie jagen, um erlegt zu werden. Ein archetypisches Spiel. Und eine wichtige Differenzierung. Leider gibt es noch zu wenig Männer, die dies erkennen.
„Wenn es darum geht, die Liebhaberqualitäten eines Mannes abzuschätzen, stehen bei den meisten Frauen vor allem die Hände im Fokus: Zwei Drittel der Befragten analysieren diese als erstes und stellen sich schon während des Dates vor, wie es ist, von diesen Händen verwöhnt zu werden.“ Stimmt! Sehe ich schöne Hände, läuft dieser Film automatisch in mir ab. Hände sind die intimsten Körperteile, ohne Hände keine Begegnung, keine Berührung, kein Zutrauen, kein Zupacken. Kraftvoll und gepflegt sollen sie sein, die Nägel sauber gefeilt, die Haut der Handflächen weich. Ich gebe zu: Manchmal starre ich Männern unverhohlen auf die Hände und kann meinen Blick kaum abwenden; rede dann vielleicht über das Phänomen der bipolaren Störungen und den ihnen zugrunde liegenden Verwirrungen des Hirnstoffwechsels, denke aber an was ganz anderes. Eine Freundin sagte einmal, dass sie die Mann ihres Lebens an den Händen erkannt hatte.
„Ein muskulöser V-förmiger Oberkörper ist ebenfalls von Interesse – 61 Prozent der Frauen checken bewusst, ob die Statur des Mannes mit ihren Vorstellungen übereinstimmt.“ Ja, so ein getrimmter Oberkörper ist schon etwas Schönes. V-Förmiges kommt zwar vor allem bei Schwimmern vor oder bei Sportlern, die mehr Zeit im Fitnessstudio verbringen, also sonst wo, und deshalb meist nicht zu den interessantesten Zeitgenossen gehören. Ein Mann ohne explizites V suggeriert, dass er noch anderes im Kopf hat und vor allem: dass er noch was anderes tut. Bierbäuche hingegen, und werden sie mit noch so viel Stolz getragen, sind höchstens bedeckt, im gut sitzenden Anzug erträglich. Und zwar nur dann. Trotzdem: Bäuche lassen nicht selten auf phantasievolle Liebhaber schliessen. Und manche Frauen stehen auf buddaeske Bauchbären.
„Der Mund landet auf dem dritten Platz – jede Zweite überlegt sich ganz genau, ob sie die entsprechenden Lippen auf den ihren spüren möchte.“ Stimmt! Begegne ich einem Mann mit schönen Lippen, male ich mir oft aus, wie es ist, diese zu küssen – auch wenn ich weiss, dass ich ihn nie küssen werde. Aber die reflexartige Neugierde bleibt: Wie der Kuss wohl schmeckt, wie elastisch er ist, wie fordernd. Schöne Lippen können aber auch täuschen: Die üppigen, festen Lippen eines argentinischen Tenors, zum Beispiel, fühlten sich an wie ein leckes Wasserbett. Dies lag nach eingehender Analyse wohl eher an der Konsumhaltung des Tenors (Blondine gleich Accessoire), als an der Anatomie der Lippen. Trotzdem: Ein Flop.
„Aber auch Männer, die einen knackigen Po haben, können punkten – 26 Prozent der Frauen schliesst vom Hinterteil auf entsprechende Liebhaberqualitäten.“ Eine Binsenweisheit. Es geht nichts über einen Knackarsch (excuse my language), den man mit beiden Händen im Griff haben kann. Vorbild des Hintern ist noch immer der Hintern aller Hintern, jener von Michelangelos Davide in Florenz. Punkt. Und – wenn wir nun schon bei den herausragenden Körperteilen sind: Sehnige Unterarme, die unter hochgekrempelten Hemdsärmeln rausschauen, rangieren ebenfalls hoch in der Ästhetikskala. Oder besser gesagt, trainierte Unterarme könnten dem Knackarsch sogar Konkurrenz machen. Nur: Davon auszugehen, dass sich muskulöses Fleisch automatisch auch gut im Bett macht, ist fahrlässig. Muskeln haben zwar ein Gedächtnis, aber Phantasien entwickeln und umsetzen, können sie nicht.
„Auch Verhalten und Auftreten sind für Frauen wichtige Kriterien, wenn es darum geht, einzuschätzen, ob ein Mann als Objekt der Begierde taugt. Drei Viertel der Frauen geben an, Männern den Vorzug zu geben, die selbstbewusst, aber nicht arrogant wirken.“ Ist ja klar. Arroganz ist schlecht verborgenes Minderwertigkeitsgefühl. Man plusterte sich auf, um den anderen klein zu machen. Typisches Diktatorengehabe.
„Ausserdem überzeugen Männer, die für ein interessantes Gespräch sorgen: 66 Prozent der Damenwelt findet, dass eine gute Unterhaltung für die gewisse Spannung sorgt und Lust auf mehr macht.“ Logisch. Aber die Begriffe „Unterhaltung“ und „gewisse Spannung“ greifen hier zu kurz. Mein Geist will erquickt, gestreichelt und herausgefordert und nicht einfach unterhalten werden. Mein Gesprächspartner ist doch kein Kino. Nein, es geht um Fragen und Antworten, um Zirkeln, Necken und Umgarnen, um ein Ping Pong, schnell, leicht, aufregend, überraschend, ein Duett, ein Pas de Deux. Verheerend ist, wenn er (oder sie) keine Fragen stellt oder während des Gesprächs seine (ihre) SMS checkt. Frageschwäche zeugt in den meisten Fällen von Desinteresse oder, das ist die mildere Interpretation, von Unsicherheit oder thematischer Überforderung; die Lust an der digitalen Ablenkung, na ja, die kann ebenfalls als ein Zeichen von mangelndem Interesse gewertet werden, vielleicht sogar von Respektlosigkeit, ganz sicher aber als Beweis für die Fehleinschätzung der eigenen Relevanz. Früher legte man noch den rauchenden Colt auf den Tisch, um Eindruck zu schinden, gestern zeigte man Muskeln via Smartphone, heute lassen die wirklich Coolen ihr Handy verschwinden, sobald es wirklich wichtig wird.
„Auf keinen Fall sollte der Mann an Komplimenten sparen – Frauen wünschen sich Bestätigung und mögen es, wenn er seine Faszination offen zeigt (60 Prozent).“ Ja, ja , ja. Unbedingt! Er soll mir Komplimente machen. Aber so, dass ich merke, dass er dabei tatsächlich mich meint. Etwa: „Ach, wie betörend du das R nach einem halben Glas Rioja zu rollen beginnst!“ Die Komplimente müssen denn auch nicht schon in den ersten Minuten des ersten Treffens kommen. Eruptives Ausschütten von Nettigkeiten zeugt eher von routiniertem Geschwätz, als von genauem Hinsehen – oder hören.
„Wichtig sind zudem gute Manieren: Ein Drittel der Frauen beobachtet ihren potenziellen Lover beim Essen und Trinken ganz genau. Nur wer sich als Geniesser zu erkennen gibt, kann bei diesen Frauen auf weitere sinnliche Freuden hoffen.“ Wer Spass hat am Essen, hat auch Spass am Sex, denn Essen ist eine sinnliche Angelegenheit. Auch das eine uralte Wahrheit. Es gibt kaum etwas Ernüchternderes, als wenn das Gegenüber Kalorien zählt, nur Salat und Gemüse isst, darum bittet, die Bratwurst zu teilen, weil er (oder sie) vor einer ganzen zurückschreckt oder sich einer Diät verschrieben hat, deren Philosophie den gesunden Menschenverstand herausfordert. In diesen Fällen nähert man sich dem anderen selten auf mehr als eine Tischlänge an.
„Durch spendierte Drinks (17 Prozent), den Kleidungsstil (13 Prozent) und Beruf (19 Prozent) lassen sich die wenigsten Frauen beeindrucken.“ Stimmt zum Teil. Drinks? Irrelevant. In etwa der Hälfte aller Fälle spendiere ich den Apéro. Meistens bezahlt der, der nicht vergessen hat, zum Bankomaten zu gehen. Kleider? Irrelevant. Hauptsache, sie sind sauber, und die Hose ist keine Hüfthose mit Taillengurt. Dasselbe gilt übrigens für Autos. Die müssen funktionieren, fertig. Beruf? Na ja, Helikopterpiloten, Notfallchirurgen oder Experten für experimentelle Onkologie können schon sehr faszinierend sein. Ebenso Seals, Hedgefond-Manager oder CIA-Agenten. Zumindest einen Drink oder ein Abendessen lang. Darüber hinaus werden Berufe per se tatsächlich irrelevant. Hauptsache, der Mann mag, was er tut, hat Ideen und Visionen und interessiert sich, so beflügelt, auch dafür, womit ich mit Leidenschaft mein Geld verdiene.
So, hätte ich geredet, wäre ich nun heiser. Fazit der Studie? Eben: sie ist wie die Checkliste der Depressions-Symptome, nur amüsanter. Und klar, die oben diskutierten Punkte bewegen sich hart an der Oberfläche. Denn ob, wie und wann der Funke zwischen zwei Menschen springt kann keine Studie erforschen und hat wenig mit Essgewohnheiten oder einem Flacharsch zu tun. Was den Funken ausmacht wird in diesem Sinne wohl immer ein Geheimnis bleiben.