6. Ganz aus dem Häuschen
Blogautor:
Brigitte Zaugg
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Eine kleine Hütte unter der Treppe zum Turmrestaurant ist der Spa-Bereich des „Empire Beach Resort“, wobei Spa hier durchaus die Abkürzung für „Simply Pure Ayurvedic“ sein könnte. Denn einfacher gehts definitiv nicht. Da gibts weder feuchtwarme, flauschige Frottiertücher noch Räucherstäbchen oder gar sanfte Sitarklänge aus dem Hintergrund für den seelischen Gleichklang, sondern nur: einen nackten Steinboden, einen asketischen Behandlungstisch auf Taillenhöhe, einen fleckigen Stuhl und ein wackliges Gestell mit einer unübersichtlichen Ansammlung von Flaschen und Fläschchen in undefinierbaren Erd- und Schlammfarben. Das ist das Reich von Binu, dem Ayurveda-Masseur meines Vertrauens. Alles ist dunkel und – oily, oily, oily. Nicht wirklich einladend, und doch flüstert es aus jedem Winkel dieses mediokren Raums: In keinem Wellnesstempel der Welt bist du den Zauberkräften der Kerala-Dschungelpflanzen näher als hier.
An diesem Morgen verlasse ich Binus Hütte nicht wie sonst entspannt. Im Gegenteil: ich bin sozusagen aus dem Häuschen vor Schreck. „Unheil“ lautete nämlich das Verdikt auf seinem Smartphone auf eine Schicksalsfrage, die ich ihm vielleicht besser nicht gestellt hätte. Und das kam so:
Am Vorabend platschte mir beim Apéro aus heiterem Himmel bzw. aus dem Palmdach des Shacks ein Gecko aufs linke Knie, der sich mit diesem Sturz vor einer Ratte rettete. In einer Art Schockstarre blieb das Kriechtierlein dann – formvollendet wie ein meisterhaftes Tattoo – längere Zeit an meiner Wade kleben, so lang, bis der ganze Shack zusammenlief, ein allgemeines Gekreische losging und Kellner Sultan sogar mit einer Zeitung auf das arme Tier einzudreschen begann. „Gecko is friend“, rief ich verzweifelt, „Gecko brings good luck!“ Vergeblich. „No friend“, schrien alle durcheinander, „no! No luck!“ Ein Glück nur, dass mein kleiner „friend“ wendiger war als Sultan mit der Zeitung und sich deshalb schon bald über den nächsten Stützpfeiler wieder hinauf ins sichere, wenn auch nicht rattensichere Dach retten konnte.
Und so habe ich an diesem Morgen Binu konsultiert. Der kennt sich mit Vorzeichen aus. Schliesslich wusste er vor einigen Jahren auch, dass die Krähe Glück bringen würde, die mir beim Zmorge im Turmrestaurant in einem steilen Anflug auf meinen Fruchtsalat und bis hinauf ins Gesicht gekackt hatte. Wobei das entscheidende Kriterium offenbar die Himmelsrichtung war. „From north? Okay, then luck!“
Jetzt aber: Echse auf Knie. Da muss Google helfen. Mit der linken Hand massiert Binu mein Bein, mit der rechten surft er auf seinem gut geölten Smartphone durch sämtliche indischen Hokuspokus-Sites. Da: „Lizard falling on man“. Eine endlose Tabelle tut sich auf: Echse auf Stirn – Gewinn; auf rechtes Ohr – langes Leben; auf Rücken – Streit; auf linke Brust – Vergnügen … auf linkes Knie – Unheil. Unheil!!! Was tun? „Keine Angst“, sagt Binu. „Denn für ein Unglück braucht es noch zwei Dinge, nämlich erst eine Autofahrt mit einem Platten und dann eine Katze, die vor dir über die Strasse läuft.“ Und was dann? „Dann musst du einfach umkehren. Geh, wenn dir beides passiert, keinesfalls dorthin, wo du gerade hinwolltest.“
Huch! In fünf Tagen machen wir uns auf unsere Reise durch Südindien. Was, wenn unser Taxi zum Flughafen einen Platten hat? Was, wenn uns im Nagarahole-Nationalpark ein Tiger über den Weg laufen wird? Binu: „Leopard, yes, problem may be there. But tiger not cat, tiger different-different, tiger kills you at once.“
Wenn die bloss nicht in echt unsern Weg kreuzen!
INGREBIDEL !NDIA: Als Gastbloggerin des Monats Februar schreibt annabelle-Produzentin Brigitte Zaugg über ihre jüngste Südindien-Reise mit Strandferien in Goa und einer Rundreise durch Karnataka, Tamil Nadu und Pondicherry. Ihr Profil bei Tripadvisor: „Reisende/r über 60“, „Ökotourist“, „Fan von Ruhe und Entspannung“. Mit dabei: Arno (68), die ultimative Inkarnation des Tripadvisor-Kriteriums „Fan von Ruhe und Entspannung“ und ein Meister der universellen Zeichensprache („Wieso reden, wenn mit ein paar angedeuteten Handzeichen alles gesagt werden kann?“)
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