7. Make Blouse Not War
Blogautor:
Brigitte Zaugg
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Wie schön, dass ich vor unserem Trip ins südindische Neuland noch meine Leinenblusen bei Schneider Parvesh drüben in der Holiday Street (sic!) abholen kann. Sechs Stück habe ich diesmal bestellt, alle nach dem gleichen simplen Schnittmuster eines Tops, das ich in grauer Vorzeit in Zürich im Ausverkauf erstanden und solange getragen habe, bis es überall zu reissen begann und schliesslich nur noch als Vorlage taugte. Seither kriegt es Winter für Winter Nachwuchs in allen Farben aus Parveshs Schneideratelier, mal kurz-, mal langärmlig, mal als Tanktop.
Parvesh kommt aus der Konfliktregion Kaschmir und ist gläubiger Muslim. Der Freitagnachmittag in der Moschee ist dem rundlichen Familienvater so heilig, dass er dann für keinerlei Geschäfte zu haben ist. Und das ist doch bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass für alle andern – Christen, Hindus, Buddhisten – die Arbeitswoche in der Touristensaison grundsätzlich sieben Tage hat.
Mein erster Besuch bei Parvesh ist jedes Jahr eine Sache von Stunden. Er bietet mir Tee an, ich ihm eine Zigarette, dann reden wir über Allah und die Welt und darüber, dass doch eigentlich alles viel besser wäre, wenn die Menschen einfach fair miteinander geschäften würden, statt sich dauernd zu bekriegen. Worauf wir dann fair zu geschäften beginnen, sprich: die Stoffe für meine Blusen aussuchen, den Preis aushandeln, dazwischen noch einen Tee trinken, eine zweite Zigarette rauchen und uns diesmal schliesslich auf rund hundert Franken für sechs Tops einigen, also auf ungefähr die Mitte zwischen seinem und meinem ersten Angebot.
Wobei ich noch herausschinde, dass er mir das dunkelblaue Exemplar mit langen statt kurzen Ärmeln näht. Immerhin, so argumentiere ich, sei ich ihm preislich doch wirklich sehr entgegengekommen. Das sei er mir auch, pariert Parvesh, er habe nämlich nicht vergessen, dass ich ihm letztes Jahr diese Neukundin aus dem „Empire Beach Resort“ zugeschanzt hätte: „Very good customer was. Many items ordered.“ Aber selbstverständlich gehe das mit den langen Ärmeln in Ordnung.
Was man noch recherchieren müsste: Wer sind die Grosshändler, bei denen Parvesh seine Stoffe einkauft? Wie fair sind die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken, wo das Leinen für meine Blusen gewoben wird? Was verdient eine Erntearbeiterin auf den Flachsfeldern, die vermutlich nicht mal in Indien, sondern viel eher in China liegen? Es wäre ein Recherchejob der beinharten Sorte – nichts für Schönwetterjournalistinnen wie mich, die schon bei den Hunden von Goa lieber nicht allzu genau hinschauen und spätestens beim Gedanken an den Monatslohn einer westbengalischen Teepflückerin das Handtuch werfen.
Und so denke ich beim Handschlag mit Parvesh nur: Irgendwo in der komplexen Entstehungsgeschichte eines Leinentops muss man mit der Fairness einfach mal anfangen. Ich versuche es an der Holiday Street.
Schneidertermine sind Frauensache, findet Arno (hier beim Vormittags-Chai im „Café del mar“). Sein Motto: Gut ist es, Dinge zu sammeln, besser ist es, spazieren zu gehn (Adelbert von Chamisso, 1781 – 1838)
Am siebten Tage sollst du ruhn? Die traditionell stockkatholischen Shackbetreiber in der ehemaligen portugiesischen Kolonie Goa kennen keinen Wirtesonntag. Hier der Hausaltar im „Café del mar“
INGREBIDEL !NDIA: Als Gastbloggerin des Monats Februar schreibt annabelle-Produzentin Brigitte Zaugg über ihre jüngste Südindien-Reise mit Strandferien in Goa und einer Rundreise durch Karnataka, Tamil Nadu und Pondicherry. Ihr Profil bei Tripadvisor: „Reisende/r über 60“, „Ökotourist“, „Fan von Ruhe und Entspannung“. Mit dabei: Arno (68), die ultimative Inkarnation des Tripadvisor-Kriteriums „Fan von Ruhe und Entspannung“ und ein Meister der universellen Zeichensprache („Wieso reden, wenn mit ein paar angedeuteten Handzeichen alles gesagt werden kann?“)
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